Europa

"Niemand will übers Positive reden" – Britischer Komiker sorgt mit Holocaust-Witz für Aufruhr

Der als äußerst provokant geltende britische Komiker Jimmy Carr hat es nun wohl doch zu weit getrieben. In einem "Witz" amüsierte sich Carr über ebenfalls im Holocaust getötete Sinti und Roma – daraufhin meldete sich sogar der Sprecher von Boris Johnson zu Wort.
"Niemand will übers Positive reden" – Britischer Komiker sorgt mit Holocaust-Witz für AufruhrQuelle: AFP © Alberto E. Rodriguez/Getty Images/AFP

Ein Witz des als äußerst provokant geltenden Komikers Jimmy Carr in seiner Netflix-Sendung "His Dark Material" ("Sein dunkler Stoff", nicht zu verwechseln mit der BBC-Serie "His Dark Materials") sorgt in Großbritannien für große Aufregung. Carrs Äußerungen über Sinti und Roma seien "zutiefst beunruhigend", erklärte der Pressesprecher des britischen Premierministers Boris Johnson. Auf die Frage, ob der Sender Carr absetzen solle, wollte der Sprecher aus der Downing Street nicht antworten. Der Sprecher erklärte im Wortlaut:

"Diese Kommentare sind zutiefst beunruhigend – und es ist inakzeptabel, Völkermord zu verharmlosen."

Carr hatte in seinem Witz zunächst von den Schrecken des Holocaust gesprochen. "Sechs Millionen verlorene jüdische Leben", sagte Carr, um dann damit fortzufahren, dass niemand über Tausende tote Sinti und Roma spreche, denn – so Carr weiter:

"Weil niemand jemals über die positiven Aspekte sprechen will."

Anschließend sagte Carr, er wisse, dass dieser Witz grenzwertig sei, doch er habe auch einen "erzieherischen Wert". Carr setzt fort:

"Es ist ein Witz über das Schlimmste, was je in der Geschichte der Menschheit passiert ist, und die Leute sagen 'Vergiss niemals', nun, so erinnere ich mich [...] Es gibt eine pädagogische Qualität. Wie jeder in diesem Raum weiß, haben sechs Millionen Juden während des Zweiten Weltkriegs ihr Leben durch die Nazis verloren. Aber viele Menschen wissen nicht, dass die Nazis auch Tausende von Zigeunern, Homosexuellen, Behinderten und Zeugen Jehovas ermordet haben, weil das in unseren Schulen nicht wirklich gelehrt wird."

Trotz der Erläuterung als Relativierung nach dem Witz, sorgte er auf den Sozialen Medien und in der britischen Politik für Empörung. Dabei ist diese Sendung nicht neu – sie wurde schon zu Weihnachten 2021 ausgestrahlt. Erst ein Ausschnitt, der vergangene Woche als Clip auf Twitter hochgeladen wurde, löste den aktuellen Shitstorm aus. Carr hatte schon zu Beginn der Sendung gewarnt:

"Bevor wir anfangen, eine kurze Warnung. Die heutige Sendung enthält Witze über schreckliche Dinge. Dinge, die Sie und die Menschen, die Sie lieben, betroffen haben könnten. Aber das sind nur Witze. Es sind nicht die schrecklichen Dinge."

Der britische Gesundheitsminister Sajid Javid forderte, dass die Zuschauer Carr boykottieren sollten. Das Büro von Premierminister Johnson verwies auf bereits bestehende Pläne der Regierung, die eine strengere Kontrolle der Inhalte von Streaming-Diensten vorsehen. Im Gegensatz zu den inländischen britischen Sendern wird Netflix nicht von der britischen Medienaufsichtsbehörde Ofcom, sondern von der niederländischen Medienaufsichtsbehörde beaufsichtigt.

Am Samstag hatte die britische Ministerin für Kultur, Medien und Sport Nadine Dorries, in deren Zuständigkeit auch Ofcom fällt, angedeutet, dass eine künftige Gesetzgebung die Ausstrahlung von Carrs Kommentaren verhindern könne. Gegenüber der BBC sagte Dorries im Zusammenhang mit Carrs Äußerungen, diese seien "abscheulich und sollten einfach nicht im Fernsehen gezeigt werden".

Carr wurde auch von Gruppen wie dem Holocaust Memorial Day Trust, der Auschwitz-Gedenkstätte und Hope Not Hate für seine Äußerungen scharf kritisiert. Carr selbst äußerte sich nicht zu der Kontroverse – jedenfalls nicht direkt. Am vergangen Samstag sagt er während seines Auftritts in London:

"Wir sprechen hier, meine Freunde, im last chance saloon [britischer Ausdruck für eine Situation, nach der es nur noch schlechter werden kann, Anm. d. Red.] Was ich heute Abend auf der Bühne sage, ist kaum noch akzeptabel. In zehn Jahren könnt ihr es verdammt noch mal vergessen. Ihr werdet euren Enkeln erzählen können, wie ihr diese Show heute Abend gesehen habt. Sie werden sagen: 'Ich habe einen Mann gesehen, der auf einer Bühne stand und ernste Themen auf die leichte Schulter nahm. Wir nannten das früher Witze und die Leute haben gelacht [...] Ich werde gecancelt werden, das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass ich mit Schwung untergehen werde. Der Witz, der meine Karriere beendet, ist bereits im Umlauf."

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